„Bitte für Staat um Entschuldigung“Kölner Richter kämpft vor Urteilsspruch mit Tränen

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Das Landgericht in Köln

Köln – Mitten in der Urteilsbegründung ringt der Vorsitzende Thomas Quast mit den Tränen. Seine Stimme bebt hörbar vor Emotionen. Dann flucht er, sammelt sich kurz und redet weiter. Es ist nicht alltäglich, dass sich ein gestandener Richter, so angefasst zeigt. Später entschuldigt er sich sogar. Aber nicht für seine Emotionen, sondern für den Staat, als dessen Repräsentant er sich in diesem Moment begreift. „Ich schäme mich in den Grund, weil Leute Ihnen im Namen dieses Staates Gewalt angetan haben. Und ich bitte Sie für diesen Staat um Entschuldigung“, sagt Quast zu dem Angeklagten (28).

Keine Belehrung statt gefunden

Die, die diese Gewalt aus Sicht der Strafkammer ausübten, waren Polizeibeamte. Sie hatten den 28-Jährigen am Rande des Christopher Street Days 2016 aufgefordert, ein Schnellrestaurant zu verlassen. Der Mann reagierte nicht, woraufhin er von einem Beamten bewusstlos geschlagen wurde. Eine Belehrung hatte es zuvor nicht gegeben. „Unterbleiben der Belehrung führt zur Unrechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme“, erklärte Quast. Ein Widerstand des Angeklagten wäre spätestens da sogar gerechtfertigt gewesen.

Doch die Geschehnisse im Schnellrestaurant sind nur der Anfang. Unter Mithilfe weiterer Beamter fesselten die Polizisten den Mann, trugen ihn nach draußen und ließen ihn auf der Straße aus einem halben Meter Höhe auf den Boden fallen. Dort trat ein Beamter den am Boden Liegenden und schlug ihm in den Rücken. „Ich sehe hier eine gefährliche Körperverletzung und Körperverletzung im Amt“, wertete Quast die Vorkommnisse.

Homophobe Beleidigung auf dem Weg ins Polizeipräsidium

Bei der anschließenden Fahrt ins Polizeipräsidium wurde der 28-Jährige dann homophob beleidigt: „Das brauchst du doch, du dumme Schwuchtel“, habe ein Beamter zum ihm gesagt und ihn misshandelt. Der damals 25-Jährige beschimpfte den Beamten daraufhin als „Nazi“. Zudem spuckte er und bekundete, dass er HIV habe und sich wünsche, dass der Beamte sich anstecken möge. Das Landgericht wertete dies als „rechtfertigenden, entschuldigenden Notstand“.

Im Gewahrsam wurde der Mann dann in Unterwäsche gefesselt in eine Zelle geworfen. Ohne auch nur versucht zu haben, einen richterlichen Beschluss zu erwirken, ließen die Beamten eine Blutprobe entnehmen. „Der Richtervorbehalt ist auf gut Deutsch mit Füßen getreten worden“, sagte Quast. Entlassen wurde der Angeklagte schließlich in Unterwäsche – seine Oberbekleidung war aus unerfindlichen Gründen völlig durchnässt. Ein Rettungswagen wurde dem Angeklagten verwehrt, stattdessen wurde ein Platzverweis ausgesprochen.

Verfahren gegen Polizisten könnte wieder neu aufgerollt werden

Das Verfahren gegen die Polizeibeamten war von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Nach dem gestrigen Urteil bleibt abzuwarten, ob sie bei dieser Bewertung bleiben wird.

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